„Verpflichtung, nicht wegzuschauen“
Bernburg, am – Zum Auftakt der Herbsttagung der anhaltischen Landessynode hat Präses Andreas Schindler Christen dazu aufgerufen, dem Rechtsextremismus in Deutschland noch entschiedener entgegen zu treten. Kirchenpräsident Joachim Liebig hob hervor: „Rassismus ist Ausdruck einer gestörten Persönlichkeit. Rechts- und Linksextremismus sind Ausdruck abseitiger Ideen.
„Es gibt für beides keinerlei Anknüpfungen oder gar Begründungen in unserem Glauben. Wer die Botschaft Jesu Christi dazu nutzt, missbraucht sie in furchtbarer Weise. Das muss ganz deutlich sein und ist nie verhandelbar.“
Mit Blick auf die Reichspogromnacht am 9. November 1938 sagte Präses Schindler: „Es ist beschämend für unser Land, dass wir neben der Erinnerung an die Opfer des Pogroms, an die Schuld auch unserer Kirche und an all die unfassbaren Folgen dieses Tages auch auf sehr aktuelle Gefahren aufmerksam machen müssen. Es gibt in Deutschland rechtsextremes Gedankengut, das einen fruchtbaren Nährboden für Gewalt bietet und von einigen Unverbesserlichen getragen wird. Ich denke dabei nicht zuletzt an die Aktivitäten der Terrorgruppe ‚NSU‘, aber auch an Vorgänge und Strukturen gerade hier in Bernburg – mitten in Anhalt.“
Als Zeichen der Solidarität mit jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird die gesamte Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts heute ab 16.00 Uhr an einem Pogromgedenken auf dem Gelände der früheren Bernburger Synogoge teilnehmen. „Damit bekennt die Landessynode sich zu ihrer Mitverantwortung in unserer Gesellschaft und zu den jüdischen Wurzeln unseres Glaubens“, betonte Schindler. Im Anschluss an die Gedenkstunde wird Dr. Gerhard Begrich in der Bernburger Marienkirche einen Vortrag zum Thema „loben, klagen und schauen – Beziehungen zwischen jüdischem und christlichen Gottesdienst“ halten.
Weiter würdigte der Präses der Landessynode das Engagement evangelischer Christinnen und Christen in Bündnissen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Zugleich könne der Einsatz gegen jede Herabwürdigung anderer Menschen nicht an Einzelne delegiert werden: „Die aus unserem christlichen Glauben erwachsene Mitmenschlichkeit verpflichtet uns alle, in unserem je eigenen Lebensbereich nicht wegzuschauen, sondern deutlich zu widersprechen, wenn die Würde von Menschen beschädigt wird.“
Lage der Landeskirche
Die Lage der Landeskirche bezeichnete Kirchenpräsident Liebig in jeder Hinsicht als stabil. Ein Problem sei jedoch die weiterhin – wenn auch nur noch leicht – fallende Mitgliederzahl, die derzeit bei rund 42.100 liegt. Der Rückgang sei vor allem auf demografische Faktoren zurückzuführen. „Dennoch bleibt es die beständige Aufgabe, noch mehr Menschen in Anhalt für die Sache Jesu Christi zu interessieren“. Dabei gelte es nicht nur, bestehende lokale Kirchengemeinden nach Kräften zu stärken. „Vielmehr ist es aller Mühe wert, auch andere Gemeindeformen, etwa im Bereich der Sonderseelsorge, zu identifizieren und zu bestärken.“
Mit zeitlicher Begrenzung und unter besonderen Bedingungen finde sich Gemeinde beispielsweise auch in der Klinik- oder in der Polizeiseelsorge. Für lokale Kirchengemeinden hingegen sei es eine hohe Anforderung, beständig auf neue Zielgruppen zuzugehen. Am Anfang der Bildung neuer Gemeindeformen könne indes nicht gleich die Taufe stehen. „Damit rückt Kirche natürlich nicht von ihrem Taufauftrag ab. Sie nimmt nur unterschiedliche biografische und persönliche Ausgangssituationen sensibel zur Kenntnis“, so Liebig.
Debatte zur Beschneidung
Zur aktuellen Debatte um die religiöse Beschneidung sagte Liebig: „Es ist unerträglich, wenn ein weltliches Gericht in dieser Weise Einfluss zu nehmen versucht auf religiöse Praxis. Unter dem Vorwand des Kindeswohls werden in wachsendem Maße familienersetzend Gerichte tätig. Dabei ist die Diskussion zunehmend irrational gerade von Seiten derer, die die Rationalität in besonderer Weise für sich in Anspruch nehmen. Es steht durchaus zu erwarten, dass mit derselben Argumentation in absehbarer Zeit auch die Kindertaufe gerichtlich angefragt werden wird. Ist sie doch – zwar ohne bleibendes äußeres Zeichen – auch eine Festlegung des Täuflings für die Zeit seines Lebens und die Ewigkeit. Der intellektuelle Ansatz, Religiosität sei durch die Rationalität abgelöst worden, bleibt unredlich.“
Weitere Informationen zur Synode: www.landeskirche-anhalts.de/landeskirche/synode
Zahlen und Fakten: http://www.landeskirche-anhalts.de/landeskirche/zahlen-und-fakten
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