„Veränderungsresistenz nicht akzeptabel“
Zerbst / Anhalt, am – Die Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts hat am heutigen Freitag in Zerbst ihre Frühjahrstagung begonnen. In seinem Bericht zur Lage der Landeskirche nahm Kirchenpräsident Joachim Liebig Bezug auf die zurückliegenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt: „Das politische Handeln in unserem Bundesland wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit der Spaltung in unserer Gesellschaft entgegengetreten wird.“
Dabei sicherte er von kirchlicher Seite eine Begleitung in kritischer aber zugleich solidarischer Distanz zu. Liebig betonte weiter, der Glaube habe nicht nur individuelle Bedeutung. „Damit ist Kirche nicht in sich politisch. Wenn sich Kirche in konkrete politische Fragen einbringt, so tut sie das stets vor dem Hintergrund biblisch abgeleiteter sozialethischer Positionen. Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind dabei zentrale Ziele.“
Zum Umgang der Landeskirche mit der AfD sagte der Kirchenpräsident, es sei aus seiner Sicht gegenwärtig nicht zielführend und machbar, deren Parteimitglieder pauschal aus kirchlichen Ämtern auszuschließen. Entscheidend sei dagegen die inhaltliche und kritische Auseinandersetzung mit Positionen der AfD und ihrer Mitglieder: „Wir müssen uns die individuellen Haltungen und Ansichten sehr genau ansehen, ihnen gegebenenfalls entgegen treten und das Prägende des Glaubens in den Vordergrund stellen.“
Eröffnungsrede Präses Schindler
Zuvor hatte Präses Andreas Schindler in seiner Eröffnungsrede die Leistungen des anhaltischen Reformationsfürsten Wolfgang hervorgehoben, der vor 450 Jahren starb und zu den wichtigen Unterstützern Luthers und der Reformation zählte. „Fürst Wolfgang bezeichnete die reine Lehre und die Verwaltung der Sakramente als Basis der Kirche, das muss auch heute gelten.“ Schindler würdigte die Arbeit von Ursel Luther-von Bila, die von ihren Ämtern im Präsidium der Synode und in der Kirchenleitung der Landeskirche zurückgetreten ist. Aus dem Präsidium und der Kirchenleitung ausscheiden wird aus Altersgründen auch der Köthener Kreisoberpfarrer Dietrich Lauter. Nachfolger in der Kirchenleitung sind Paul Lindau aus Zerbst, früherer Vorsitzender des Kreistages Anhalt-Bitterfeld, und Pfarrer Wolfram Hädicke aus Köthen.
Flüchtlinge
In seinem Bericht ging Kirchenpräsident Liebig auch auf das Engagement der Kirche für Flüchtlinge ein: „Wir Christenmenschen sind uns selbst und den Mühseligen und Beladenen gleichermaßen verpflichtet. Aus dem Doppelgebot der Liebe beziehen wir in unserem Glauben die Selbstachtung als Geschöpfe Gottes ebenso wie die Würdigung des Nächsten.“ Liebig kritisierte die verbreitete Haltung, Flüchtlinge würden eine vermeintlich einheitliche deutsche Kultur gefährden. Eine homogene Gesellschaft habe zu keinem Zeitpunkt existiert. „Gerade in der derzeitigen Situation sind wir abhängig von einer hohen Fluktuation und intensivem Austausch mit allen Teilen dieser Welt.“ Entscheidend, so der Kirchenpräsident, sei vielmehr die Frage nach der eigenen Identität. „Zugespitzt für uns Christen rückt dabei die Frage nach unserem Glauben ins Zentrum. Als Teil einer Gesellschaft, die vor großen Aufgaben steht, müssen wir uns zunächst selbst Rechenschaft ablegen, ob die Behauptung, unser Glaube trage uns, Realität oder Fiktion ist.“
Situation der Landeskirche
Die Situation der Landeskirche bezeichnete der Kirchenpräsident als finanziell und strukturell stabil, rief jedoch alle haupt- und ehrenamtlichen Kirchenmitglieder zu verstärktem missionarischem Engagement auf. Dies sei angesichts sinkender Mitgliederzahlen dringend geboten. Die Landeskirche Anhalt hat derzeit rund 35.000 Mitglieder (Stand 1.1.2016), Anfang 2015 waren es noch 36.400. „Ganz ohne Zweifel spielen dabei demographische Faktoren eine wesentliche Rolle“, sagte Liebig. „Es ist jedoch nicht hinreichend, der Demographie gleichsam eine unabänderliche Wirkmächtigkeit zuzugestehen. Wenn auch nicht in der Region Anhalt, so hat sich doch die Zahl der Wohnbevölkerung im Bundesland Sachsen-Anhalt inzwischen stabilisiert und zeigt sogar hier und dort einzelne Aufwüchse. Es besteht durchaus die Möglichkeit, die weiterhin in großer Zahl im Gebiet der Landeskirche lebende Wohnbevölkerung für die Sache Jesu Christi zu interessieren.“
Liebig sagte weiter: „Die Schwierigkeit der Mission ist offenkundig. Generationen von Säkularität und Profanität bleiben nicht ohne Folgen. Gleichzeitig aber hat die Landeskirche auf allen Ebenen so viele Arbeitsmöglichkeiten wie vermutlich nie zuvor. In den Schulen und Kindertagesstätten ebenso wie in der wundervollen Musik und der täglichen Arbeit in der Diakonie und den Gemeinden gibt es eine unendliche Fülle von Kontaktmöglichkeiten.“ Die wiederkehrende Argumentation, die alltägliche Arbeit mit ihrer Bürokratie und sonstigen Verpflichtungen ließen keinen Raum für die kreative Nutzung dieser Kontaktmöglichkeiten, müsse nun intensiv betrachtet werden. Der Kirchenpräsident wies auf die Arbeit einer Steuerungsgruppe hin, die sich seit Sommer 2015 mit Fragen und Möglichkeiten zur Umgestaltung des kirchlichen Lebens beschäftigt. „Die Stabilität der Landeskirche ermöglicht es, diese Veränderungen in einer gesteuerten Weise zu initiieren. Veränderungsresistenz jedoch ist nicht akzeptabel. Die aus Veränderung erwachsene Verunsicherung ist bereits Teil des Glaubens. Die Sicherheit unseres Glaubens lässt die Verunsicherung jedoch zurücktreten und frohgemut den Blick auf den fruchtbaren Acker nach vorne richten.“
Weitere Informationen zur Synode: http://www.landeskirche-anhalts.de/landeskirche/synode
- Johannes Killyen :
Ballenstedt, Bernburg, Dessau, Köthen, Zerbst – Landeskirche