Theologen berichten aus ihrem Leben nach dem Mauerfall
Dessau-Roßlau, am – Speyer/Dessau (epd). Groß sind die Unterschiede in Ost und West – auch bei den Kirchen. 20 Jahre nach dem Mauerfall trennt die Menschen in beiden Landesteilen noch immer vieles, bestätigen evangelische Pfarrer aus der Pfalz, die in der anhaltischen Partnerkirche arbeiten. Auch Seelsorger, die ursprünglich aus den neuen Bundesländern in die Pfalz kamen, haben große Gegensätze ausgemacht.
In der Pfalz gebe es trotz aller Probleme eine starke Kirchenverbundenheit der Menschen. In Ostdeutschland hingegen sei ein christlicher Traditionsabbruch festzustellen. „Ganze Regionen im Osten sind entkirchlicht“, sagt Pfarrer Andreas Pfautsch aus Wörth-Hagenbach. Seit 2004 lebt und arbeitet der 38-jährige Pfarrer mit Wurzeln in Sachsen-Anhalt in der Südpfalz. Bereits seit den 40er Jahren verbindet die Evangelische Kirche der Pfalz und die anhaltische Landeskirche eine Partnerschaft. Viele Menschen fragten sich, „Kirche und Pfarrer – wozu braucht man das?“, sagt Pfautsch, der die pfälzische Offenheit und Gastfreundschaft schätzen gelernt hat. Wozu eigentlich Religionsunterricht gut sei, müssten Pfarrer im Osten immer wieder erklären, in der sich die antikirchliche Politik der DDR-Regierung bis heute auswirke. Auch 20 Jahre nach dem Mauerfall sei noch nicht zusammengewachsen, was zusammengehöre. Um für gegenseitiges Verständnis zu werben, fährt Pfautsch einmal im Jahr mit seinen ehemaligen Konfirmanden zu Besuch in seine alte Heimat Dessau. Junge Pfälzer wüssten oft nur wenig von der gemeinsamen deutsch-deutschen Geschichte. „Ihnen muss man erklären, dass Meinungs- und Bewegungsfreiheit nicht selbstverständlich sind.“ Für den Kirchheimbolandener Dekan Thomas Vieweg ist die Novembernacht, als die Mauer fiel, ein unvergessliches Datum. „Für uns war es, als ob ein Stück Himmel aufgeht“, sagt der 57-Jährige. 1984 reiste der gebürtige Erfurter aus Ost-Berlin aus und erlebte hautnah mit, wie die friedliche Revolution über die Mauer rollte. Damals war er bereits Pfarrer im pfälzischen Lambsborn und nahm zwei DDR-Familien im Pfarrhaus auf. Die friedliche und unblutige Wende sei „ein Wunder Gottes“ gewesen, sagt er. In der Peterskirche in Kirchheimbolanden sei am Montag ein ökumenischer Lob- und Dankgottesdienst geplant. Die Kirche werde in Ostdeutschland fast mehr gebraucht als in den alten Bundesländern, befindet Pfarrer Dietrich Lauter. Seit 2001 ist der ehemalige Pfälzer Pfarrer Kreisoberpfarrer in Köthen in Anhalt – ein Amt, das dem eines Dekans vergleichbar ist. Mehr als 80 Prozent der Menschen in der Region seien konfessionslos, sagt Lauter, der 25 Jahre lang Seelsorger der pfälzischen Landeskirche war. Bei Themen wie sozialer Zusammenhalt, Frieden und Bewahrung der Schöpfung oder Kultur gebe es viele Anknüpfungspunkte zu kirchlicher Arbeit. „Wahnsinnig wichtig ist es, den Kontakt zu den Menschen auf der anderen Seite zu halten“, sagt er und plädiert für einen „Ost-West-Dialog“. Unterschiedliche Mentalitäten in Ost und West hat Pfarrer Matthias Strickler aus Zweibrücken-Niederauerbach ausgemacht. Der 38-Jährige studierte in den 90er Jahren in Leipzig und arbeitete von 2002 bis 2005 im thüringischen Kirchspiel Oberwillingen. Noch immer begegneten viele Menschen in den neuen Bundesländern den Westdeutschen eher ablehnend und misstrauisch. Die Errungenschaften des geeinten Deutschlands beurteilt Strickler eher skeptisch. Nach dem Zusammenbruch der DDR habe im Osten der Egoismus zugenommen. Im Westen fehle gemeinhin das Interesse an der Region. Gerade die Kirchengemeinden sollten alte Partnerschaften auffrischen oder neu gründen. Dies setze auch ein Zeichen: „Wir gehören zusammen und können voneinander lernen.“ (5816/06.11.2009)