Proteste gegen Neonazi-Aufmarsch in Dessau
Dessau-Roßlau, am – Dessau-Roßlau (epd). Mehrere hundert Menschen haben am 13. März in Dessau-Roßlau gegen einen Aufmarsch von Neonazis protestiert. Im Mittelpunkt stand ein Kulturprogramm auf dem Marktplatz unter dem Motto „Bunte Vielfalt statt brauner Ungeist“, an dem nach Veranstalterangaben mehr als 500 Besucher teilnahmen.
Der Neonazi-Aufmarsch, deren Teilnehmerzahl die Polizei auf 250 bezifferte, wurde zweimal von etwa hundert Anhängern des „linken Spektrums“ sowie dem bürgerlichen Protestbündnis mit Sitzblockaden aufgehalten. Um Zusammenstöße zu vermeiden, leitete die Polizei den Aufzug der Rechtsextremisten, deren Ziel ein Ehrenfriedhof für Kriegsopfer war, um eine Blockade herum. Bei der zweiten Blockade wurden die Teilnehmer von Beamten weggetragen. Anlass für die rechte Demonstration war der schwerste alliierte Bombenangriff auf Dessau im Zweiten Weltkrieg am 7. März 1945. Auf der Marktplatzbühne sagte der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, die Neonazis betrieben unter dem Deckmantel der Trauer revisionistische Hetze, indem sie versuchten, die Erinnerung an die im Zweiten Weltkrieg getöteten Bewohner von deutschen Städten zu missbrauchen. Die Lehre aus den Zerstörungen im eigenen Lande könne nur sein, dass von Deutschland nie wieder Hass und Vernichtung ausgehen dürfe, forderte der SPD-Politiker. Der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig betonte, dass der Nationalsozialismus in der Region Anhalt in den 30er Jahren schon frühzeitig seine unheilvolle Wirkung entfaltet habe. Heute unterstreiche der breite bürgerschaftliche Protest gegen den Aufmarsch von Rechtsradikalen, dass Dessau-Roßlau nunmehr zu einer weltoffenen und toleranten Stadt geworden sei, erklärte der evangelische Geistliche. Das Programm gestalteten neben lokalen Musikgruppen die Chart-Band „Down Below“ mit einem Kurz-Konzert. Außerdem traten in der Innenstadt Schauspieler des Anhaltischen Theaters an verschiedenen Plätzen mit dem Programm „Die Stadt als Bühne“ auf. Vor der Johanniskirche, an der der Zug der Neonazis vorbeiführte, hatte der Evangelische Kirchenkreis zu Bläsermusik unter dem Motto „Trompeten gegen Rechts“ eingeladen. Dessau war von 1940 bis 1945 Ziel von insgesamt 20 Luftangriffen. Der schwerste forderte am 7. März 1945 etwa 700 Todesopfer. Danach lag der Großteil der Innenstadt in Schutt und Asche. Zerstört wurden damals auch die Fabrikanlagen für die Herstellung des Giftgases „Zyklon B“, mit dem Millionen Menschen in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern ermordet worden waren. Dessau war der einzige Produktionsstandort in Deutschland. (1283/14.03.2010)