Evangelische Landeskirche Anhalts

„Ohne Furcht und deutlich für Demokratie eintreten“

Dessau-Roßlau, am – Kirchenpräsident Helge Klassohn äußert sich bestürzt über Etablierung der Bundesgeschäftsstelle der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ in Bernburg: „Mit Bestürzung habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Bundesgeschäftsstelle der NPD-Jugendorganisation ‚Junge Nationaldemokraten’ – aus Dresden kommend – neuerdings im Zentrum der anhaltischen Stadt Bernburg etabliert hat. Unsere Haltung dazu ist ganz klar: Wir lehnen die politischen Überzeugungen der rechtsradikalen NPD, ihrer Jugendorganisation und ihrer gleichgesinnten Netzwerke mit aller Entschiedenheit ab.

Wir haben im Herbst und Winter 1989/90 nicht gemeinsam für Freiheit, Demokratie, Frieden und Wahrheit in unseren Kirchen gebetet und auf den Straßen und Plätzen demonstriert, um sie nun durch diese Partei und ihre Anhänger gefährdet zu sehen. Wir haben uns von Lüge und Angst nicht befreit, um nun ängstlich vor neuen Gefährdungen zurückzuweichen. Im wahrhaftigen Gedenken an die schrecklichen Ereignisse und die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur lehnen wir alle Verdrehungen der geschichtlichen Tatsachen und den propagandistischen Gebrauch von Versatzstücken der NS-Ideologie ab. Wir treten weiter für den Frieden zwischen den Völkern und insbesondere für die Versöhnung mit unseren Nachbarvölkern ein und wenden uns gegen Fremdenhass, Rassismus und die Verherrlichung und Ausübung von sprachlicher ebenso wie körperlicher Gewalt. Für uns bleibt der Ruf ‚Keine Gewalt’ aus dem Herbst 1989 maßgebend. Unsere Jugendlichen brauchen eine umfassende politische Bildung. Gerade so werden sie befähigt, mit Respekt und Toleranz anderen Kulturen und Religionen zu begegnen und Achtung für die eigenen demokratischen Überzeugungen zu gewinnen. Zu diesen Grundüberzeugungen wird für uns Deutsche immer auch die wahrhaftige Erinnerung an die Verfolgung des jüdischen Volkes im deutschen Namen und die vielen Opfer aus unserem Volk und anderen Völkern gehören, die die unselige NS-Herrschaft gefordert hat. Keine politische Überzeugung und keine Religion darf das Opfer von Menschenleben fordern. Gerade Bernburg mit seiner Erinnerungsstätte für tausende unschuldige Menschen aus Krankenhäusern, Heimen, Gefangenenlagern und Familien, die hier in der NS-Zeit unter scheußlichen Umständen umgebracht wurden, ist der am wenigsten geeignete Ort für alte Lügen, Hasstiraden und die Verhöhnung demokratischer Institutionen und Freiheiten, für die Verachtung gegenüber schwachen und behinderten Menschen. Die nationalsozialistische Ideologie kam an die Macht, weil die Weimarer Demokratie zu wenig Demokraten hatte, die selbstbewusst, friedlich und unter Wahrung des Rechtes für die demokratischen Institutionen und ihre verantwortlichen Personen eintraten. Ich fordere die Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche Anhalts, ihre hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie alle Bürgerinnen und Bürger in Anhalt auf, ohne Furcht und deutlich für Freiheit, Frieden, Recht und Demokratie zusammen mit allen demokratischen Kräften und Initiativen einzutreten. Wir lehnen Gewalt in Sprache und Verhalten im Streit der Meinungen weiterhin ab und werden deshalb auch keine Gewalttätigkeiten im Zuge unserer friedlichen Aktionen und Demonstrationen dulden.“ Dessau-Roßlau, 31. Januar 2008