„Medizinische Möglichkeiten begrenzen“
Dessau-Roßlau, am – Bei der Frühjahrstagung der Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts hat Kirchenpräsident Joachim Liebig am heutigen Freitag davor gewarnt, die medizinischen Möglichkeiten am Anfang und Ende des menschlichen Lebens zu überschätzen. „Das populäre Gerede von der Selbstbestimmung des Menschen als grenzenlose Letztbegründung ist im Licht unseres Glaubens unbegreiflich“, sagte Liebig in seinem Bericht vor den Synodalen im Ballenstedter Schloss.
Die Synodaltagung hatte zuvor in der Kirche St. Nicolai Ballenstedt mit einem Gottesdienst begonnen, der vom Ballenstedter Kreisoberpfarrer Dr. Theodor Hering gehalten wurde. Andreas Schindler, Präses der anhaltischen Landessynode, unterstrich in seiner Eröffnungsrede die gute Zusammenarbeit zwischen den Leitungsgremien der Landeskirche. „Wir haben so eine fruchtbare Atmosphäre gewonnen, die Grundlage für weitere Entwicklungsschritte unserer Kirche sein kann.“
Kirchenpräsident Liebig hob weiter hervor, bei allen Chancen würden die sozialethischen Konsequenzen etwa der Pränataldiagnostik oft verschwiegen: „Wie wird es für Eltern sein, die sich bewusst für ein behindertes Kind entscheiden und zusätzlich zu den Belastungen dieser Tatsache noch die Häme und das Unverständnis ihrer Umgebung ertragen müssten? An dieser Stelle muss der Glaube uns in die alltäglichen, uns alle befassenden und betreffenden Fragen führen und tragen.“
Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung
Ausführlich ging der Kirchenpräsident auf die kürzlich veröffentliche Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und deren Bedeutung für die anhaltische Landeskirche ein. „Die Studie greift einen neuen Trend auf, der mit dem Stichwort der Polarisierung zusammengefasst werden kann. Mitglied der Kirche zu sein, wird zunehmend zu einer eindeutigen Entscheidung dafür oder auch dagegen. Demnach ist die Anzahl der stark mit der Kirche verbundenen Menschen gestiegen. Für Menschen in Westdeutschland überraschend, für uns in Mitteldeutschland seit Jahrzehnten Realität, steigt aber auch die Zahl derer, die Religionslosigkeit als vollkommen selbstverständliche Lebenshaltung begreifen. In einer Fülle von Entscheidungen hat sich die Landessynode bereits mit diesen Fragen befasst.“
Es bleibe Aufgabe der Kirche, weit über den kirchlichen Raum hinaus gesellschaftlich zu kommunizieren, sagte Liebig. Menschen für den Glauben gewinnen könne Kirche aber nur dann, wenn sie es schaffe, diese einzeln anzusprechen. „Die Schwierigkeit liegt darin, mit einem so intimen Thema wie dem eigenen Glauben ins Gespräch mit Kirchenfernen zu kommen. Dennoch bleibt das die Aufgabe und letztlich einer der wenigen Missionswege, die offenkundig Wirkung zeigen, die Wirkung des Heiligen Geistes immer voraussetzend.“ Der Kirchenpräsident nannte in diesem Zusammenhang die von der Synode im Herbst 2013 beschlossene Aktion „Anhalt betet“, die Kirchenmitglieder wie Kirchenferne einlädt, sich zum gemeinsamen Gebet regelmäßig und auch außerhalb der regulären Gottesdienste in Kirchen zu treffen.
Gerade die überschaubare Struktur einer kleinen Kirche wie der anhaltischen biete die richtigen Rahmenbedingungen für Wege wie diesen. „Insofern ist unsere kirchliche Struktur nicht etwa ein Anachronismus vergangener politischer Verhältnisse, sondern auch für die Zukunft eine tragende Struktur mit Perspektive.“ Zugleich gelte es weiterhin, die Gemeinden in Anhalt in jeder Hinsicht zu stärken und zu fördern. Dazu gehöre es auch, belastende und zeitaufwendige Aufgaben, etwa das Gebäudemanagement, kritisch zu betrachten. „Mit einem eigenen Ausschuss zu den Pfarrhäusern und damit gewiss als Auftakt zu einem zukünftigen Gebäudemanagement in der Landeskirche hat die Synode hier bereits eine Richtung vorgegeben.“ Eine besondere Herausforderung, so Liebig, sei indes die kirchliche Jugendarbeit.
Schlüsselberuf der evangelischen Kirche sei trotz großer Bedeutung von Gemeindepädagogik, Kirchenmusik und Verwaltung weiterhin der Pfarrberuf, sagte Kirchenpräsident Liebig. „In ganz Deutschland sind 20.000 Pfarrerinnen und Pfarrer für 23,6 Millionen evangelische Christen zuständig. Mehr als drei Viertel der evangelischen Kirchenmitglieder geben an, einen Pfarrer oder eine Pfarrerin namentlich oder wenigstens vom Sehen her zu kennen. Dabei wird deutlich, welche überragende Bedeutung für diesen Eindruck Taufe, Beerdigung, Trauung und andere Amtshandlungen haben.“ Mit Blick auf die Situation der Mitarbeitenden der anhaltischen Landeskirche konstatierte der Kirchenpräsident, nach einer Situationen der tiefen Verunsicherung infolge der 2004 beschlossenen Sparmaßnahmen, aktuell eine grundsätzliche positive Stimmung. „Die Lage der Evangelischen Landeskirche Anhalts ist stabil und die Gemeinden, Dienste und Werke sind in der Lage und bereit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Mitarbeiterzufriedenheit im weiteren Sinn ist die entscheidende Voraussetzung für eine angemessene Bewältigung der Aufgaben.“
Hintergrund: Leitungsgremien der Ev. Landeskirche Anhalts
Der Landeskirchenrat ist neben der Landessynode und der Kirchenleitung eines der drei landeskirchlichen Leitungsgremien in Anhalt. Er vertritt die Landeskirche im Rechtsverkehr. Ihm gehören der Kirchenpräsident als Leitender Geistlicher, ein weiterer theologischer sowie ein juristischer Oberkirchenrat an. Die Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts besteht aus 33 von den Ältesten der Kirchenkreise gewählten und sechs von der Kirchenleitung berufenen Synodalen. Zwei Drittel der Synodalen sind in Anhalt Nichttheologen, ein Drittel Theologen. Die Stellvertreter der Landessynodalen werden von den Kreissynoden gewählt. Die Evangelische Landeskirche Anhalts hat derzeit rund 40.300 Mitglieder.
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