Zwischen reformiert und lutherisch
Dessau-Roßlau, am – Einblicke in die spannende evangelische Kirchengeschichte der Stadt Bernburg und des Fürstentums Anhalt-Bernburg gab am Samstag eine Tagung in der Kanzler von Pfau’schen Stiftung. Über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung der Evangelischen Landeskirche Anhalts und der Schlosskirchengemeinde St. Ägidien gefolgt. Unter dem Titel „Von der Reformation zur Union“ hatten sich drei Referenten und eine Referentin zum Ziel gesetzt, wissenschaftlich fundiert und verständlich auf eine ganz eigene historische Entwicklung aufmerksam zu machen.
Dies sei, so führte der Bernburger Pfarrer Sven Baier aus, angesichts einer aktuell zu stark auf Luther fokussierten Reformationserinnerung mehr als geboten. Eine Stadt wie Bernburg und eine Region wie Anhalt müssten mehr über ihre religiöse Vergangenheit wissen, um ihre Gegenwart besser zu verstehen. Im ersten Vortrag schlug der Historiker Justus Vesting aus Halle den Bogen von der frühen Reformation seit den 1520er Jahren bis zu den Folgen des Übergangs der Anhaltiner zur reformierten Konfession 1596. Vesting machte deutlich, wie strittige theologische Fragen mit politischen Interessen verbunden waren. Der Sonderweg Anhalts sei keineswegs provinziellen Zwängen gefolgt, sondern extrem reflektiert und im Kontext europäischer Politik zu sehen, wie Vesting an Fürst Christian I. von Anhalt-Bernburg festmachen konnte.
Die Eigenheit Anhalts sei indes weniger die reformierte Konfession gewesen, die radikal mit den religiösen Ordnungen brach. Der Historiker Dr. Jan Brademann vom Archiv der Evangelischen Landeskirche Anhalts stellte heraus, dass Stadt und Land dauerhaft von zwei Konfessionen zugleich geprägt waren – der reformierten und der lutherischen. Spannend sei daran sei unter anderem, dass die Lutheraner keine Kirchenorganisation entwickelt hätten und sich ihre Identität allein aus dem Abendmahl speiste, zu dem sie in andere Kirchen „ausliefen“. Obwohl die Unterschiede zwischen lutherischem und reformiertem Abendmahl um 1800 auf einen Rest zusammengeschmolzen waren, traf die Vereinigung der Konfessionsgruppen zunächst auf größeren Widerstand als die Initiatoren Herzog Alexius und Superintendent Friedrich Adolf Krummacher vermutet hatten. Die Theologin Claudia Drese aus Halle betonte, Anhalt-Bernburg habe 1820 die Union beider Bekenntnisse nicht nur als eines der ersten Territorien eingeführt, sondern auch in einer Weise, die sich durch das liberale Verfahren deutlich von Preußen und der benachbarten Provinz Sachsen unterschied.
Sven Baier setzte mit der Bau- und Nutzungsgeschichte der Bernburger Ägidienkirche den Schlussakzent der Tagung. Ausgehend von einer sehr schwierigen Forschungs- und Quellenlage kombinierte Baier archäologische und bauliche Befunde mit schriftlichen Quellen und machte deutlich, wie sich bis ins späte 19. Jahrhundert neben religiösen Veränderungen politische und soziale Ansprüche im Kirchenraum niederschlugen. Neben der 1752 errichteten Fürstenloge beeindruckte die Kirchenstuhlordnung der Gemeinde besonders. Mit dem von Museumsdirektor Dr. Roland Wiermann geleiteten Besuch der Ausstellung „Fürst Wolfgang von Anhalt (1492-1566). Fürst und Bekenner“ im Museum Schloss Bernburg wurde die Tagung beendet. „Wir stehen wohl erst am Anfang der Erforschung Bernburger Kirchengeschichte als eines Teils regionaler und kirchlicher Identität“, resümierte Pfarrer Baier, der sich entschlossen zeigte, hier weiterzugehen. „Dabei kommt es vor allem darauf an, jene Schätze zu sichern und zu heben, die in Gestalt von Archivgut noch an verschiedensten Stellen schlummern“, fügte Dr. Brademann hinzu.
Die Veranstaltung wurde von der Schlosskirchengemeinde St. Ägidien Bernburg und dem Archiv der Evangelischen Landeskirche Anhalts organisiert sowie vom Kirchenkreis Bernburg finanziert.
Bernburg – Landeskirche