Ladenöffnung an vier Adventssonntagen verfassungswidrig
Dessau-Roßlau, am – Die großzügige Regelung zur Ladenöffnung an Sonntagen im Land Berlin ist teilweise verfassungswidrig. Die Freigabe aller vier Adventssonntage verstößt gegen den besonderen Sonntagsschutz im Grundgesetz, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Damit gab das Karlsruher Gericht einer Klage der beiden großen Kirchen teilweise statt.
Von dem Urteil gegen die bundesweit liberalste Ladenöffnung wird eine Signalwirkung auch für andere Bundesländer erwartet. Bis zum Jahresende dürfen die Berliner Geschäfte an den Sonntagen allerdings noch geöffnet bleiben. Sonntag „Tag der seelischen Erhebung“ Nach dem seit November 2006 geltenden Berliner Ladenöffnungsgesetz dürfen die Geschäfte in der Bundeshauptstadt an bis zu zehn Sonntagen jährlich zwischen 13 und 20 Uhr öffnen. Darunter sind alle vier Sonntage vor Weihnachten. Nach dem sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der „seelischen Erhebung“. Unterstützung bei ihrem Vorgehen gegen die Ladenöffnungen hatten die Kirchen von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bekommen, die jedoch nicht selbst geklagt hat. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels sah dagegen „keinerlei Zusammenhang zwischen dem bedauernswerten Rückgang des Gottesdienstbesuchs und den Ladenöffnungszeiten“. Die Kirchen sollten an verkaufsoffenen Sonntagen selbst mehr Angebote machen. „Gesellschaftliche und kulturelle Errungenschaft“ Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, begrüßte das Urteil. Der arbeitsfreie Sonntag ohne Ladenöffnungen habe etwas Verbindendes in der Gesellschaft, sagte Göring-Eckardt unmittelbar nach der Verkündung des Urteils am Dienstag im ZDF. Der Sonntag sei „ein Geschenk der Christen an die Gesellschaft“. Vor dem Urteil hatte der Berliner Bischof Markus Dröge noch einmal die Bedeutung der Sonntagsruhe als „gesellschaftliche und kulturelle Errungenschaft“ unterstrichen. Verkaufsoffene Sonntage drohten „den Unterschied zwischen Werktagen und Ruhetagen einzuebnen“, sagte Dröge in einem epd-Gespräch. Menschen bräuchten einen gemeinsamen freien Tag für die Familie, die Begegnung und das Engagement. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, sprach vor der Entscheidung in Karlsruhe von einer „prinzipiellen kulturellen Frage“. Es gehe darum, ob gemeinsame Lebensrhythmen Vorrang bekommen vor einer „totalen Ökonomisierung des Lebens“, sagte der CSU-Politiker am Dienstag im ZDF. Ansonsten werde der gesellschaftliche Zusammenhang gefährdet. „Jede große Kultur hat auch einen Ruhetag“, argumentierte Glück für eingeschränkte Ladenöffnungen an Sonntagen. Den Kirchen gehe es mit ihrer Klage nicht zuvorderst darum, den Gottesdienstbesuch zu sichern, sondern den kulturellen Wert des Sonntags zu erhalten. epd/dpa