"Runden Tisch wiederbeleben"
Dessau-Roßlau, am – Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Köthen hat der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig zu einem respektvollen Umgang der Menschen miteinander aufgerufen. In einem Kommentar für die in Weimar erscheinende Mitteldeutschen Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ (Ausgabe zum 23. September) schreibt er: „Es geht mittlerweile um die Frage: Wie wollen wir in unserem Land zusammenleben?“ Die Situation von Flüchtlingen sei dabei nur ein Aspekt. Er beobachte Respektlosigkeit im Umgang mit Institutionen und anders Denkenden.
„Im friedlich wiedervereinigten Deutschland kann es indes keine belastbare Gemeinschaft geben ohne einen respektvollen Umgang miteinander.“ Die tiefgreifende Spaltung in der Gesellschaft sei vermutlich zu lange unterschätzt worden. Liebig, der auch Vorsitzender des Evangelischen Presseverbandes in Mitteldeutschland (EPVM) ist, erinnerte an das 1989 von den Kirchen initiierte Instrument des Runden Tisches. Er regte in der Kirchenzeitung regionale und lokale Runde Tische an, „um der Spannung in unserer Gesellschaft auf die Spur zu kommen und einen Beitrag zur Lösung der Konflikte zu leisten“. Die Erfahrungen der friedlichen Revolution sollten für den gesellschaftlichen Diskurs und den Ausgleich unterschiedlicher Interessen genutzt werden.
Der Kommentar im Wortlaut
Wie wir leben wollen
Vor mehr als einer Woche stirbt ein junger Mann in Köthen. Vorangegangen ist ein Streit, an dem auch Asylbewerber beteiligt sind. Die Todesursache wird forensisch geklärt. Doch der zutiefst bedauernswerte Tod dieses jungen Menschen wird schnell instrumentalisiert, um Grundsatzfragen zur Asylpolitik in Parolen auf die Köthener Straßen zu bringen.
Die Kirchengemeinden vor Ort reagieren umgehend mit Friedensgottesdiensten und Gebeten. Längst geht es dabei um mehr: Wie wollen wir in unserem Land zusammenleben? Die Situation von Flüchtlingen ist dabei nur ein Aspekt. Zu beobachten ist ein völliger Verlust von Respekt vor Institutionen – und eine noch größere Respektlosigkeit im Umgang mit anders Denkenden.
Im friedlich wiedervereinigten Deutschland kann es indes keine belastbare Gemeinschaft geben ohne einen respektvollen Umgang miteinander. Natürlich müssen ganz offen die Gründe für die Wut der Menschen auf der Straße ergründet werden. Möglicherweise ist aber die tiefgreifende Spaltung unserer Gesellschaft zu lange unterschätzt worden. Ein schlichtes »Weiter so« ist dabei ebenso untauglich wie Wut oder Hass es sind. Nicht zuletzt die Kirchen haben 1989 das Instrument des Runden Tisches als bleibenden Beitrag für den Ausgleich unterschiedlicher Interessen initiiert.
Es wird viele lokale und regionale Runde Tische brauchen, um der Spannung in unserer Gesellschaft auf die Spur zu kommen und einen Beitrag zur Lösung der Konflikte zu leisten. Jetzt ist die Zeit dafür. Die Erfahrungen der friedlichen Revolution lassen hoffen, es möge erneut gelingen.
Ballenstedt, Bernburg, Dessau, Köthen, Zerbst – Landeskirche