„Kirche gewinnt an Relevanz“
Dessau-Roßlau, am – Den Kirchen kommt angesichts einer drohenden Spaltung der Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zu. Das sagte Kirchenpräsident Joachim Liebig bei der Herbsttagung der Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts, die am heutigen Freitag in Dessau begonnen hat. „Wie es scheint, werden wir nicht nur als Folie für die eigenen politischen und sonstigen Ideen genutzt oder bisweilen missbraucht, sondern, wir werden auch zu Recht in Dienst genommen, zur Heilung der Spaltung in unserem Land beizutragen. Das ist eine Herausforderung, die wir aktiv annehmen müssen.“
Kirchliches Predigen und Tun gewinne damit eine neue Relevanz, die in vergangenen Jahren verloren zu gehen drohte, so Liebig „Gleichzeitig wird mit der erhöhten Relevanz dessen, was wir sagen und tun, auch eine höhere Erwartung verbunden. Bisweilen löst das Furcht aus. Wir werden festgelegt und müssen Verantwortung übernehmen für das, was Kirche in unserer Zeit in unserer Region ist.“
Mit Blick auf die Ereignisse in Köthen nach dem Tod eines jungen Mannes würdigte Stephen Gerhard Stehli für die Landesregierung Sachsen-Anhalt in seinem Grußwort das engagierte und sachliche Eintreten nicht zuletzt von Landeskirche und Kirchengemeinden. Das geschlossene Handeln der Bürgergesellschaft habe wesentlich zur Bewältigung der Situation beigetragen.
Die Tagung des anhaltischen Kirchenparlaments hatte mit einer Andacht in der Laurentiushalle der Anhaltischen Diakonissenanstalt begonnen. Als amtierende Präses der Landessynode würdigte Doris Berlin (Coswig) in ihrer Begrüßung die Verdienste des im Sommer plötzlich verstorbenen Präses Andreas Schindler. Er hinterlasse eine große Lücke und sei entschieden für seine Landeskirche und den aktuellen Veränderungsprozess eingetreten. Die für den Vormittag vorgesehene Wahl eines neuen Präses oder einer neuen Präses wurde auf den zweiten Synodentag am Sonnabend verschoben. Die Leitung der Synode wird in Anhalt ehrenamtlich ausgeübt. Der oder die Präses steht nicht in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis.
Transformationsprozess
Im Bericht des Landeskirchenrates nahm der Kirchenpräsident auch auf den aktuellen Transformationsprozess in der Landeskirche Bezug, der 2015 begonnen hat. Er beinhaltet eine engere Zusammenarbeit von Kirchengemeinden in Arbeitsgemeinschaften und Mitarbeitenden in einem „Verbundsystem“. Aufgewertet werden sollen andere kirchliche Berufsgruppen neben den Pfarrerinnen und Pfarrern. „Die Gründung von Arbeitsgemeinschaften der Gemeinden und ihnen zugeordneten Mitarbeiterverbünden hat deutlich an Fahrt aufgenommen“, sagte Liebig. „Auf unterschiedliche Weise wird darüber auf allen Ebenen der Landeskirche diskutiert.“ Vereinbarungen zu Arbeitsgemeinschaften in Gemeinden liegen bereits aus dem Raum Coswig und Oranienbaum-Wörlitz vor. Weitere sind in Vorbereitung.
Hintergrund der Veränderungen sind unter anderem sinkende Gemeindegliederzahlen und fehlender Nachwuchs bei den Pfarrerinnen und Pfarrern. Der Kirchenpräsident betonte: „Auch wenn finanzielle Aspekte durchaus von Bedeutung sind: Primär hat dieser Veränderungsprozess nicht fiskalische Gründe, sondern er stellt einen systematischen Versuch dar, nicht nur bestehende Gemeinde in ihren Diensten und Werken zu erhalten, sondern darüber hinaus in die säkulare Umgebung erweitert Wirkung zu erzielen. Das erreichen wir durch eine Aufwertung von Arbeitsbereichen wie Kirchenmusik, Gemeindepädagogik und Diakonie.“
Oberkirchenrätin Ramona Eva Möbius hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung der kirchlichen Arbeit mit Kindern, Jugend und Familien hervor: „Sie ist ein großer Schwerpunkt der zukunftsweisenden Dienste unserer Landeskirche, die es auszubauen, zu überprüfen und sicher auch an manchen Stellen zu verändern gilt.“ Bei allen Aufbrüchen müsse jedoch auch auf personell begrenzten Ressourcen geachtet werden. „Die Situation der Gemeindepädagoginnen im geteilten Dienst von Schule und Gemeinde ist schwierig, weil sie oft an vielen verschiedenen Schulen Religion unterrichten müssen.“ Mit dem Veränderungsprozess in der Landeskirche könnten sich Gemeindepädagoginnen wieder stärker im Dienst in den Gemeinden engagieren. Sehr erfreulich, so Möbius, sei der Aufwuchs bei der Zahl der Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker. Diskussionen zum Transformationsprozess stehen ebenso wie der landeskirchliche Haushalt für 2019 auf der Tagesordnung der anhaltischen Landessynode.
Friedhöfe
Oberkirchenrat Christian von Bülow wies auf die schwierige Situation bei der Verwaltung von kirchlichen Friedhöfen hin. „Nicht nur in kleinen Kirchengemeinden stehen dafür immer weniger Ehrenamtliche zur Verfügung. Die, die sich bisher gekümmert haben, sind alt geworden. Der Einsatz bezahlter Dienstleister kostet Geld, welches nur begrenzt vorhanden ist. Und schließlich gibt es für die Verwaltung von Friedhöfen zwingende rechtliche Vorgaben, deren Einhaltung immer wichtiger wird und einen kaum zu leistenden Aufwand bedeutet.“ Im Bereich der Evangelischen Landeskirche Anhalts gibt es zurzeit rund 90 Friedhöfe. „Sie sind für die Gemeinschaft in vielen Dörfern wichtig, da es dort nur einen Friedhof gibt. Zugleich sind sie Teil der kirchlichen Verkündigungsauftrages“, sagte von Bülow.
Hintergrund: Landessynode
Die Landessynode besteht aus 33 von den Ältesten der Kirchenkreise gewählten und sechs von der Kirchenleitung berufenen Synodalen. Zwei Drittel der Synodalen sind Nichttheologen, ein Drittel Theologen. Die Landessynode kommt regelmäßig zwei Mal im Jahr zu Tagungen zusammen, dazwischen arbeiten die Synodalen in Ausschüssen. Die Evangelische Landeskirche Anhalts hat derzeit rund 32.600 Mitglieder.
Ballenstedt, Bernburg, Dessau, Köthen, Zerbst – Landeskirche