Jena präsentiert 'Beleg' für Luthers Thesenanschlag
Dessau-Roßlau, am – Die Jenaer Universitätsbibliothek präsentiert ab 17. Februar erstmals in einer Ausstellung den vermeintlichen Beleg des Luther-Assistenten Georg Rörer (1492-1557) für den Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche vom 31. Oktober 1517. Die knappe Notiz in einer Bibel ergänze zusammen mit anderen Handschriften aus den Jenaer Beständen eine wissenschaftliche Tagung zur Aufarbeitung des Rörer-Nachlasses, teilte die Universität am 16. Februar mit.
Als Themen des zweitägigen Kolloquiums wurden unter anderem die Situation der Hochschulen im 16. Jahrhundert, unterschiedliche Bewertungen Rörers in der Forschung zur Reformationsgeschichte und Einzelaspekte zu seinen Schriften genannt. Der Theologe gehörte ab 1522 in Wittenberg zu den engsten Mitarbeitern von Martin Luther (1483-1546). Rörer hinterließ eine große Sammlung von Mit- und Nachschriften von Werken des Reformators sowie von Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen. Die 2006 in Jena aufgefundene Notiz zum Wittenberger Thesenanschlag löste zehn Jahre vor dem 500-jährigen Reformationsjubiläum eine neue Diskussionsrunde zu diesem Thema aus. Im Gegensatz zu anderen Berichten wurde das Schriftstück wahrscheinlich noch zu Luthers Lebzeiten verfasst. Anders als der Entdecker Martin Treu von der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt bewertete der Jenaer Kirchenhistoriker Volker Leppin die Notiz dennoch nicht als Beleg für die Echtheit der Legende, wonach Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 an die Türen der Wittenberger Schlosskirche anschlug. Die 95 Thesen unter anderem mit Luthers Kritik am kirchlichen Ablasshandel gelten als Beginn der Reformation. Der Anschlag an der Schlosskirche geht jedoch auf eine spätere Überlieferung Melanchthons zurück. Die mit den Thesen in Gang gesetzte kirchliche Erneuerungsbewegung führte zur Trennung von der katholischen Kirche und zur Entstehung der protestantischen Kirche. Für deren Geschichte seien die Schriften Rörers von großer Bedeutung, sagte der Direktor der Jenaer Universitätsbibliothek, Joachim Ott. Seinen zahlreichen Ab- und Mitschriften sei es mit zu verdanken, dass das Werk der Reformatoren eine so große Verbreitung fand. Die vor zwei Jahren begonnene wissenschaftliche Erschließung des Rörer-Nachlasses wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Ausstellung „…damit nichts umkomme“ in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena ist bis 8. April dienstags von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Internet: www.thulb.uni-jena.de (0778/16.02.2010)