Evangelische Landeskirche Anhalts

'Fröhliche Gelassenheit' - Pfingstbetrachtung von Kirchenpräsident Liebig

Dessau-Roßlau, am – Pfingstbetrachtung von Kirchenpräsident Joachim Liebig für die Wochenzeitung „Die Kirche“: „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen…“ – so wird das Pfingstwunder im 2. Kapitel der Apostelgeschichte intoniert.

Plötzlich reden alle in unterschiedlichen Sprachen und verstehen sich doch. Außenstehende dagegen machen sich darüber lustig und vermuten, da seien offensichtlich gehörige Mengen von Alkohol im Spiel (Apostelgeschichte 2, 13). Noch unter dem Eindruck des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Bremen klingen die Worte der Apostelgeschichte ganz anders: Hunderttausende Menschen kommen an einem Ort zusammen; unterschiedliche Sprachen sind zu hören und dennoch verstehen sich alle. Und die Fernstehenden spotten über die Christenmenschen, die ganz friedlich und konzentriert, fröhlich und ausgelassen beisammen sind und tatsächlich gemeinsam ein Fest des Glaubens feiern. Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche. Nach dem ersten Osterfest mit dem Ende des Todes macht sich die junge Christenheit auf den Weg in die Welt. Die Frauen und Männer können nicht schweigen über das, was sie erlebt haben. Sie sind zutiefst durchdrungen von einer neuen Sicht auf das Leben und den Tod, auf sich selbst und die Welt. Ein besonderer Geist erfüllt sie. Darüber berichten sie. Die Menschen in ihrer Umgebung sind überrascht und angerührt. Sie lassen sich taufen, um an diesem Geist Anteil zu haben. Die junge Gemeinde wächst rasant. Allen inneren und äußeren Schwierigkeiten zum Trotz wächst die Gemeinde der Christenheit seit 2000 Jahren. Die Fülle der Irrwege und Sackgassen auf diesem Weg ist unüberschaubar und bisweilen katastrophal. Aber stets aufs Neue lässt dieser besondere Geist die Gemeinschaft der Glaubenden einen Weg finden. Die Erwartungen an die Kirche in unserem Land und zu unserer Zeit sind vielfältig. Es sei die Kirche, die der Gesellschaft Werte geben müsse. So ist es vielfach zu hören – auch auf dem Kirchentag in Bremen. Das spricht einerseits für ein tiefes Vertrauen in die Bedeutung der Kirche, in die Gemeinschaft der Christenheit. Andererseits liegt darin die Gefahr, Kirche zu „verwerten“. Die Kirche möge ethische Standards definieren, heißt es. Allerdings ist die die Kirche keine „Bundeswerteagentur“ (Wolfgang Huber)! Das Verhalten der Christen, ihr Eintreten für Arme, Unterdrückte, für den Erhalt der Schöpfung ist nie ein Wert an sich, sondern Ausdruck gelebten Glaubens. So erfreulich – bisweilen ungewohnt – die Hoffnungen auf die Kirche sind, so sehr liegt darin eine Gefahr: Im Zentrum des Glaubens ist der Glaube an Gott selbst. Lebendiger Glaube bewirkt ganz selbstverständlich und in aller Freiheit verändertes Leben. Der Auftrag der Kirche nach dem ersten Pfingstfest lautet daher, die Einladung zum Glauben an Gott in verständlicher Sprache freundlich – einladend den Menschen zu sagen. Alles Weitere ergibt sich daraus. Es kann sogar eine besondere Form mangelnder Glaubensgewissheit sein, ihn auf seine ethischen Elemente zu verkürzen. Eine solche Verkürzung, eben eine „Verwertung“ des Glaubens, gab es in 2000 Jahren Glaubensgeschichte immer wieder – dem Glauben dienlich war sie nie. Und doch gibt es eine grundsätzliche Verantwortung der Kirche, jedes einzelnen Christenmenschen für die Gesellschaft, in der er lebt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Nachbar Christ ist oder nicht. Es ist Ausdruck pfingstlichen Geistes, diese Verantwortung wahrzunehmen. In mehr als 2.500 Veranstaltungen hat der Kirchentag in Bremen versucht, zu ordnen, zu erkennen und Konsequenzen zu ziehen. Ob es gelingen wird, ist wiederum eine Frage des Geistes Gottes. In jedem Fall ist Kirche lebendig und wächst. In fröhlicher Gelassenheit und gleichzeitig eindeutiger Bindung ruft sie den Namen des Herrn an, wie Petrus in der Pfingstpredigt beschreibt. Das ist der Kern des Glaubens, der die Kirche seit 2000 Jahren trägt und selbstverständlich den Weg in die Zukunft öffnet. Die fröhliche Gemeinschaft dieses Weges manifestiert sich nicht nur bei Kirchentagen, sondern in jeder Gemeinde – nicht nur zu Pfingsten. Eine gesegnete pfingstliche Geburtstagsfeier wünsche ich allen Gemeinden.“ Ihr Joachim Liebig, Kirchenpräsident