Evangelische Landeskirche Anhalts

Ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte

Dessau-Roßlau, am – Mit einer aktuellen Publikation erinnert die Evangelische Landeskirche Anhalts an ihre Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. Am heutigen Freitag wurde die von der Kirchengeschichtlichen Kammer der Landeskirche herausgegebene Broschüre im Dessauer Landeskirchenamt vorgestellt. Deutlich wird darin, wie zahlreiche Pfarrer und andere Kirchenvertreter die NS-Ideologie nicht nur tolerierten, sondern sich durch sie blenden ließen und sie sich zu eigen machten.

Kirchenstrukturen wurden gleichgeschaltet, Widerstand und Kritik gegen das NS-Regime hart verfolgt. Nationalsozialistisches Gedankengut wurde mit theologischem Denken auf menschenverachtende Weise verbunden. Aber auch der Widerstand war organisiert. Bereits 1933 gründete sich unter Vorsitz von Martin Müller auch in Anhalt der Pfarrernotbund, der in den zwölf Jahren der NS-Diktatur als „Bekennende Kirche“ Widerstand gegen die Gleichschaltung leistete. Als sich im Juli 1945 die Anhaltische Landeskirche neu gründete, waren es diese Kräfte, die Verantwortung für die Erneuerung übernahmen.

Seit vielen Jahren befasst sich die Kirchengeschichtliche Kammer der Evangelischen Landeskirche Anhalts auch mit der Geschichte der Landeskirche während der NS-Zeit. 2015 fand dazu ein Studientag mit mehreren Vorträgen in Bernburg statt. Prof. Arno Sames, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und langjähriges Mitglied der Kirchengeschichtlichen Kammer, hatte es übernommen, die Vorträge des Studientages zusammenzutragen und für eine Publikation einzurichten. Nach dem überraschenden Tod von Prof. Sames im Januar 2019 setzten Pfarrer i.R. Dietrich Bungeroth und Johannes Killyen von der Pressestelle der Landeskirche die redaktionelle Arbeit fort. Im Mittelpunkt stehen Schicksale anhaltischer Pfarrer in der NS-Zeit, die Gleichschaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland und das kirchenleitende Handeln vor und nach 1945.

Kirchenpräsident Joachim Liebig sagte zu der Veröffentlichung: „Dieses Buch ist uns sehr wichtig, denn gerade die Erfahrungen nach 1933 – in Anhalt bereits 1932 – hatten eine fortdauernde Erinnerung mit entscheidender Prägekraft für die Gegenwart und Zukunft zur Folge. Die Anhaltische Landeskirche bedarf dieser Selbstidentifikation in besondere Weise, da in der Vergangenheit ihre zukunftsfähige Existenz angefragt wurde. Wir müssen uns dieser dunklen Vergangenheit stellen.“ Der frühere Dessauer Pfarrer Dietrich Bungeroth betonte: „Die ‚Gleichschaltung der Kirchen‘ nach 1933 ist für unser heutiges Kirchenverständnis und die in der Demokratie garantierte verfassungsmäßige Eigenständigkeit der Kirchen ein schwer zu ertragendes Kapitel. Es ging neben dem Bekenntnis zu ‚Führer, Volk und Vaterland‘ vor allem um die Gleichschaltung der Gemeindekirchenräte sowie die Ausschaltung der Landessynode und des Landeskirchenrates. Heute wird oft gefragt, wie das alles möglich war. Unsere Publikation bietet dazu Erklärungsansätze.“

Autoren sind neben Prof. Arno Sames der frühere Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Helge Klassohn, weiter die früheren Pfarrer Dietrich Bungeroth, Peter Rauch und Christoph Werner sowie die Pfarrer Dr. Joachim Diestelkamp (Loccum) und Dr. Lambrecht Kuhn (Bernburg). Weitere Beiträge stammen vom Leiter des Landeskirchlichen Archivs, Günter Preckel, und dem Historiker Michael Rohleder (Evangelische Erwachsenenbildung). Abgedruckt sind auch Dokumente aus dem Nachlass des Dessauer Arztes Dr. Peter Posse.

Gedruckt und gesetzt wurde die Publikation bei der Druckerei Rupa-Druck Dessau. Sie ist für 8 Euro bei der Evangelischen Buchhandlung Dessau und der Thalia-Buchhandlung Dessau im Rathauscenter erhältlich.

Die Evangelische Landeskirche Anhalts in der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945)
Publikation zum Studientag am 19. November 2015
Hrsg. von der Kirchengeschichtlichen Kammer der Ev. Landeskirche Anhalts
Dessau-Roßlau, 2019
8 Euro
ISBN 978-3-9819215-7-1

Ballenstedt, Bernburg, Dessau, Köthen, Zerbst – Landeskirche