Evangelische Landeskirche Anhalts

Bericht des Kirchenpräsidenten vor der Synode

Dessau-Roßlau, am – Die Herbstsynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts hat am Freitagmorgen mit einem Gottesdienst in der Dessauer Christuskirche begonnen. Die Predigt hielt Pfarrer Andreas Polzin, Vorsteher der Anhaltischen Diakonissenanstalt Dessau. Das Kirchenparlament nahm danach seine Beratungen in der Anhaltischen Diakonissenanstalt auf. In seinem Synodenbericht kritisierte Kirchenpräsident Helge Klassohn die am Donnerstag im sachsen-anhaltischen Landtag beschlossene Änderung der Ladenschlusszeiten.

„Wir stehen der Einbeziehung der Adventssonntage in die Reihe der vier Sonntage, an denen die Ladenöffnung genehmigt werden kann, weiter äußerst ablehnend gegenüber. Die Kirchen verteidigen mit dem Sonn- und Feiertagsschutz nicht irgendwelche egoistischen Gruppeninteressen, sondern Grundelemente unserer kulturellen Tradition und unseres menschlichen Zusammenlebens.“ Weiter bezeichnete der Kirchenpräsident die wachsende Armut gerade in Ostdeutschland als Gefahr für die Demokratie. Gelinge es nicht, sozialen Ausgleich herzustellen, würden viele Menschen die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen. Eine Schlüsselrolle komme bei der Armutsbekämpfung der Bildung zu, die Grundvoraussetzung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei. Klassohn wies auf die zahlreichen evangelischen Bildungsangebote in Anhalt hin und hob die Bereitschaft der Landeskirche hervor, Mitverantwortung für den sozialen Frieden und die demokratische Entwicklung zu übernehmen. Kirchengemeinden, so der Kirchenpräsident, müssten sich noch intensiver mit der Situation von arbeits- und mittellosen Menschen auseinander setzen. „Die Evangelische Kirche darf als ‚Kirche der Freiheit’ nicht die gnadenlose Gleichgültigkeit hinnehmen, mit der in unserer Gesellschaft der soziale Abstieg in die Armut als Folge von ökonomischen ‚Sachzwängen’ registriert wird.“ Die „Option für die Armen“ realisiere sich für evangelische Christen in einem „Leben mit den Armen“, die weder bessere noch schlechtere Menschen als die Reichen, sondern „wie wir alle durch Gottes Gnade“ dazu befähigt seien, gut und gerecht zu handeln. ------------------ Offene Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus Als dramatisch bezeichnete Klassohn die Folgen der Massenabwanderung jüngerer Menschen, „die ganze Landstriche Mitteldeutschlands dem Verdikt von Verarmung und Vergreisung“ überlasse. Mangelnde Berufschancen ließen die Motivation zu Schul- und Ausbildung bei jungen Leuten zurück gehen, sie seien eher ansprechbar für die einfachen Parolen rechtsradikaler Gruppierungen und Parteien. Besorgt zeigte sich der Kirchenpräsident über die zunehmende Besetzung der Themenfelder Gemeinschaft, Würde und Gerechtigkeit von rechtsradikaler Seite. Unter ‚Gemeinschaft’ verstünden Rechtsradikale eine „autoritär gelenkte Volksgemeinschaft“, Würde zeige sich für sie im Stolz, den Deutsche in Abgrenzung von anderen Völkern und Kulturen haben sollten, „und die Frage nach Gerechtigkeit beantworten sie mit der Verheißung einer autoritär gelenkten, national-sozialen Verteilungsgerechtigkeit“. „Wir müssen uns damit argumentativ und offen auseinander setzen“, betonte der Kirchenpräsident, „und in der Kirche unsere eigene Haltung gegen die lügenhafte Phraseologie der Extremisten setzen“. ------------------ Situation der Landeskirche Anfragen an die Eigenständigkeit der Evangelischen Landeskirche Anhalts, unter anderem im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hielt der Kirchenpräsident entgegen: „Unsere Landeskirche ist lebendig und innovationsfähig, weit über die Hälfte aller Kirchenältesten und Synodalen wurden 2005 und 2006 neu gewählt.“ Beim Gottesdienstbesuch liege Anhalt mit 18 Prozent (regelmäßige Besuche der Kirchenmitglieder pro Jahr) bundesweit an zweiter Stelle, bei der Frage nach dem Vertrauen der Kirchenmitglieder mit 54 Prozent sogar an der Spitze. Als Beleg für die Nähe der anhaltischen Kirche auch zu Nichtchristen wertete Klassohn unter anderem den Anhaltischen Kirchentag im Mai 2006, der gemeinsam mit dem Zerbster Spargelfest und 10.000 Gästen in Zerbst gefeiert wurde. Die anhaltische Landeskirche verweigere sich, so der Kirchenpräsident, keineswegs der Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, sondern kooperiere etwa mit der benachbarten Kirche der Kirchenprovinz Sachsen – seit dem Jahr 2000 gestützt durch einen Kooperationsvertrag – auf rund 20 Arbeitsfeldern. Klassohn wies auch auf die vielfältigen Formen der Zusammenarbeit innerhalb der Union Evangelischer Kirchen (UEK) hin. Er habe sich stets gegen alle Versuche gewandt „uns die Rolle als ‚gallisches Dorf’ der EKD“ zuzuweisen. Bedenklich sei gleichwohl der Mitgliederschwund von rund 3 Prozent in Anhalt (von 55.000 Ende 2004 auf 53.000 Ende 2005), der vor allem durch die Massenabwanderung gerade der jüngeren Mitgliedschaft auf der Suche nach Arbeit bedingt sei. „Umso wichtiger ist, dass wir die Zahl der Wiedereintritte und der Taufen weiter erhöhen.“ Klassohn zeigte sich zufrieden mit der Umsetzung des 2004 von der Synode beschlossenen Struktur- und Personalkonzeptes, das unter anderem die Reduzierung der Gemeindepfarrstellen von 55 auf 43,25 (VBE = Vollbeschäftigteneinheiten!) bis Ende 2006 vorsieht sowie die Einführung von Regionalstrukturen zur besseren Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden. Der Kirchenpräsident dankte denjenigen Pfarrern, die die Reduzierung ihres Stellenumfangs in Kauf genommen und damit die finanzielle Konsolidierung ermöglicht hätten. Klassohn nahm auch Bezug auf die Einordnung des Pfarrerberufs als „Schlüsselberuf“ im EKD-Papier „Kirche der Freiheit“: „Nach meiner Überzeugung werden die hohen Erwartungen an den Pfarrerberuf nur zu ertragen sein, wenn sie in eine Dienstgemeinschaft von Haupt- und Ehrenamtlichen eingebettet werden.“ Zugleich forderte der Kirchenpräsident für die Evangelische Kirche „mehr geistliche Leitung, größere geistliche Bildung und besseres Management“. Dies müsse jedoch die gesamte Kirche und Kirchengemeinde leisten. ------------------ Hintergrund: In der Evangelischen Landeskirche Anhalts leben etwa 53.000 Gemeindeglieder in rund 150 selbständigen Kirchengemeinden. Zurzeit sind in den Gemeinden 54 Pfarrerinnen und Pfarrer sowie 39 hauptamtliche Mitarbeiter im Verkündigungsdienst, d. h. Katecheten und Kirchenmusiker, beschäftigt. Die Landessynode besteht aus 33 von den Ältesten der Kirchenkreise gewählten und sechs von der Kirchenleitung berufenen Synodalen. Zwei Drittel der Synodalen sind Nichttheologen, ein Drittel Theologen. Die Stellvertreter der Landessynodalen werden von den Kreissynoden gewählt. Infos während der Synode, Tel. 0178 / 5222 177 Berichte im Netz: www.landeskirche-anhalts.de/landeskirche/synode.php