Evangelische Landeskirche Anhalts

"Aufrichtiges Erinnern ohne Lügen"

Dessau-Roßlau, am – Der anhaltische Kirchenpräsident Helge Klassohn und Joachim Landgraf, Verwaltungsdirektor des Anhaltischen Theaters Dessau, haben die Menschen in der Region aufgefordert, an der Kundgebung „Bunt statt Braun – für ein demokratisches antifaschistisches Dessau-Roßlau“ am morgigen Samstag teilzunehmen. Die Demonstration beginnt um 13.00 Uhr vor dem Anhaltischen Theater.

Anschließend wird es einen „Weg der Erinnerung und Mahnung“ durch die Stadt geben, der zur Stele von Alberto Adriano im Stadtpark führt, zur Stele für die jüdischen Opfer des Naziterrors (hier ist eine Andacht der Dessauer Kirchengemeinden gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Dessau geplant) bis zur Friedensglocke. Die Kundgebung „Bunt statt Braun“ richtet sich auch gegen eine ursprünglich geplante Demonstration der rechtsextremen NPD am 8. März. Diese war von der Stadt Dessau-Roßlau verboten worden.“ „Mit der Kundgebung am morgigen Samstag wollen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt Dessau-Roßlau aktiv für die humanistischen Werte einer demokratischen Zivilgesellschaft, für Weltoffenheit und Toleranz in unserer Stadt eintreten. Mit aller Entschiedenheit wenden wir uns gegen rechtsextreme, ausländerfeindliche und antisemitische Umtriebe“, sagt Joachim Landgraf. „Wir gedenken in diesen Tagen wieder der schrecklichen Zerstörungen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges auch das anhaltische Land und insbesondere die anhaltischen Städte Dessau und Zerbst ereilt haben“, betont Kirchenpräsident Klassohn. „Aber dieses Erinnern wäre unvollständig und nicht wahrhaftig, wenn wir nicht zugleich auch derjenigen Menschen gedenken würden, die schon ab 1933 gequält, gejagt und umgebracht wurden. Das wird immer eine schmerzliche Erinnerung bleiben, aber sie verlangt Aufrichtigkeit und keine Lügen. Das sind wir den Opfern schuldig. Der Krieg, der 1939 in deutschem Namen vom Zaun gebrochen wurde, hat im Grunde schon 1933 begonnen und war damals auch schon ein Krieg gegen Menschen des eigenen Volkes.“ Der Kirchenpräsident hebt hervor: „Die nationalsozialistische Ideologie kam an die Macht, weil die Weimarer Demokratie zu wenig Demokraten hatte, die selbstbewusst, friedlich und unter Wahrung des Rechtes für die demokratischen Institutionen und ihre verantwortlichen Personen eintraten. Ich fordere alle Bürgerinnen und Bürger in Anhalt auf, ohne Furcht und deutlich für Freiheit, Frieden, Recht und Demokratie zusammen mit allen demokratischen Kräften und Initiativen einzutreten. Den rechtsradikalen Rattenfängern und Gewalttätern kann nur durch überzeugende und überzeugte Demokraten das Handwerk gelegt werden. Wir lehnen Gewalt in Sprache und Verhalten im Streit der Meinungen weiterhin ab und werden deshalb auch keine Gewalttätigkeiten im Zuge unserer friedlichen Aktionen und Demonstrationen dulden.“ Verwaltungsdirektor Landgraf betont: „Die Nationalsozialisten missbrauchten während ihrer Schreckensherrschaft im Dritten Reich auch die Theaterkunst. Bereits 1930 riefen ‚politische Führer‘, wie Goebbels und Göring ‚zum Widerstand gegen alle volksschädigenden Einflüsse‘ auf dem Gebiet des Theaters auf. Nach der Machtergreifung der NSDAP in unserer Stadt Dessau wurden Künstler und Mitarbeiter aus dem Theater ‚entfernt‘, die jüdischer Herkunft waren und keinen ‚arischen Stammbaum‘ nachweisen konnten. Die Theaterspielpläne wurden ‚bereinigt‘. Kurt Weill, der einem jüdischen Elternhaus entstammte, flüchtete 1933 nach Paris und später in die USA. Die Theaterkunst ist stets dem Humanismus, der Demokratie, der Menschenwürde und der Toleranz verpflichtet. Deshalb treten wir mit aller Entschiedenheit gegen das Aufkeimen rechtsextremen Gedankengutes, gegen rechtsextreme Aktivitäten sowie Gewalt in jeder Form auf.“ Dessau-Roßlau, 7. März 2008