„Am Ende wird eine andere und weiter eigenständige Landeskirche stehen“
Dessau-Roßlau, am – Die Evangelische Landeskirche Anhalts steht vor grundlegenden strukturellen Veränderungen. Bei ihrer konstituierenden Tagung in Dessau sprach sich die Landessynode als oberstes Verfassungsorgan am heutigen Samstag dafür aus, den Weg eines „Anhaltischen Verbundsystems“ weiter zu verfolgen. Das Verbundsystem sieht eine engere Zusammenarbeit von Mitarbeitenden verschiedener kirchlicher Berufsgruppen vor.
Damit will die Landeskirche aktuellen Herausforderungen an die kirchliche Arbeit in einem überwiegend säkularen Umfeld sowie den hohen Anforderungen an Mitarbeitende begegnen. Kirchenpräsident Joachim Liebig erläuterte, dass bis 2025 insgesamt rund 25 Arbeitsgemeinschaften in den Kirchengemeinden gebildet werden sollen, zu denen jeweils die Bereiche Pfarrdienst, Gemeindepädagogik, Kirchenmusik, Verwaltung und Diakonie gehören.
„Dieser Prozess zeichnet sich durch ein hohes Maß an Beteiligung aus. Gemeinden können das Verbundsystem sukzessive einführen und für ihre Situation anpassen. Am Ende wird eine andere und weiterhin eigenständige Landeskirche stehen“, sagte der Kirchenpräsident. Eine einstimmig verabschiedete Entschließung der Landessynode legt fest, dass das Verbundsystem vom Ordnungs- und Strukturausschuss im Auftrag der Synode weiterentwickelt werden soll. Die Kirchenleitung soll bis Ende August verlässliche Eckpunkte dazu erstellen. Bei der Tagung diskutierten die Synodalen Details der geplanten Strukturveränderungen.
„Seit Jahren stellen wir fest, dass hauptamtliche Mitarbeitende an Überforderung leiden und zugleich über Einsamkeit in ihrem Beruf klagen. Es gibt da noch zu wenig Zusammenarbeit und Abstimmung“, betonte Liebig. „Zugleich wird die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer in den kommenden Jahren abnehmen, weil viele von ihnen in Ruhestand gehen und der Nachwuchs fehlt.“ Es gelte, die Selbstständigkeit der Gemeinde zu stärken und die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Zugleich hoffe er, „dass dabei auch für die Ehrenamtlichen mehr Raum entsteht, sich stärker mit Glaubensfragen zu befassen, ihren Glauben zum Leuchten zu bringen.“
Ein weiteres Ziel des Verbundsystems, so der Kirchenpräsident, seien Einsparungen im Personalbereich durch den Rückgang bei den kostenintensiven Pfarrstellen. In anderen Bereichen könne es hingegen Neueinstellungen geben. Perspektivisch sollte die Landeskirche anstreben, unabhängig zu werden von den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Weitere Einnahmequellen der Landeskirche sind die Kirchensteuern sowie die so genannten Staatsleistungen und Erträge aus Vermietung und Verpachtung. Der Haushalt der Landeskirche für 2018 umfasst 16,7 Millionen Euro. Die Anhaltische Kirche hat derzeit rund 34.000 Mitglieder.
Rolle der Diakonie im Verbundsystem
Mit dem „Anhaltischen Verbundsystem“ will die Evangelische Landeskirche Anhalts stärker auch in den säkularen Raum hineinwirken. Auf damit verbundene Chancen wies Oberkirchenrat Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland, in seinem Bericht vor der Landessynode hin. „Für die geplanten Stellen im Bereich der Gemeindediakonie gibt es einen hohen Bedarf.“ Es werde künftig immer mehr Menschen geben, die von ambulanten Diensten zu Hause gepflegt und betreut würden, so Stolte. „Die Schwestern und Pfleger haben jedoch nicht im Ansatz genügend Zeit, sich den bedürftigen Menschen auch persönlich zu widmen.“ Diese und weitere Aufgaben könnten diakonische Mitarbeitende von Kirchengemeinden übernehmen, vergleichbar den Diakonieschwestern in früheren Jahrzehnten. „Letztlich geht es um unmittelbare Hilfe vor Ort als Ergänzung zu spezialisierten Diensten. Es geht darum, Menschen mit Beeinträchtigungen stärker am gesellschaftlichen Leben, am Leben der Kirchengemeinden zu beteiligen. Das gilt nicht nur für Gemeindeglieder, denn Diakonie richtet sich immer an alle Menschen.“ Als Beispiele für mögliche Initiativen von Kirchengemeinden nannte Stolte offene Seniorencafés, Jugendtreffs oder eine organisierte Nachbarschaftshilfe.
Wahlen zur Synode
Bei der ersten Tagung der Landessynode in ihrer neuen Legislaturperiode konstituierten sich am Freitag die synodalen Ausschüsse, die zwischen den Tagungen zusammenkommen. Weiterhin wurden für zahlreiche synodale und kirchliche Gremien neue Vertreterinnen und Vertreter gewählt. Das Präsidium der Landessynode war bereits Freitagfrüh neu gewählt worden. Ihm gehören als alter und neuer Präses Andreas Schindler, Direktor der Kanzler von Pfau’schen Stiftung Bernburg an sowie als neue Beisitzer Doris Berlin (Coswig) und Pfarrer Andreas Müller (Gernrode). Als weitere synodale Mitglieder der Kirchenleitung gewählt wurden der Unternehmer Ullrich Hahn (Garitz bei Zerbst) und der Diplomingenieur Olaf Stork (Elsnigk bei Köthen). Die drei Entscheidungsgremien der Evangelischen Landeskirche Anhalts sind die Landessynode, der Landeskirchenrat und die Kirchenleitung. Dem Landeskirchenrat als administrativem Gremium gehören der Kirchenpräsident und zwei Oberkirchenräte / Oberkirchenrätinnen an. In der Kirchenleitung kommen der Landeskirchenrat und das Präsidium der Synode zusammen sowie zwei weitere synodale Vertreter.
Verschiedenes
Weiter auf der Tagesordnung der Synodaltagung standen Informationen und Diskussionen zum Thema Kirchensteuer und Gemeindekirchgeld sowie zum Projekt „Jugendkirche“, das Angebote in der Dorfkirche Großpaschleben und in der ganzen Landeskirche vorsieht.
Eine Übersicht über die Besetzung aller Gremien finden Sie wenige Tage nach der Synodaltagung unter https://www.landeskirche-anhalts.de/landeskirche/synode
Ballenstedt, Bernburg, Dessau, Köthen, Zerbst – Landeskirche